Mann schießt im Abendrot vor einem Kornfeld in gespannter Haltung einen Pfeil ab.
Bedingungslosigkeit
3. März 2021

In meinen Yogastunden lade ich häufig dazu ein, eine Übung wertfrei durchzuführen. Ohne Urteil über die eigenen Gefühle oder Befindlichkeiten im stillen Gewahrsein verharren, ist ganz schön schwierig. Wir haben von klein auf gelernt, dass wir bewertet werden oder uns verändern müssen, um gemocht zu sein. Wer von Euch kennt das nicht: „Wenn Du jetzt den Tisch abräumst, darfst Du später noch fernsehen.“ Oder – der Klassiker - „Wenn Du ganz brav bist, dann bekommst auch Du auch ein großes Geschenk zu Weihnachten.“ Das ist Erpressung, die uns von unserem Selbst weit entfernt hat. Denn ich ahne, dass „brav sein“ nicht gerade dem entsprochen hat, was Du als Kind WIRKLICH sein wolltest.

Auch von unseren Gefühlen haben wir uns entfernt. Ich bringe auch hier mal den Klassiker: Kind fällt von der Schaukel, Kind weint, Mutter sagt: „Ach, das tut doch gar nicht weh.“ Was lernen wir als Kind daraus? Das, was wir fühlen, stimmt nicht. Und so kommen wir in ein Dilemma: wir spalten uns ab, von dem, was unserer tiefen eigenen Wahrheit entspricht und passen uns in Schemen und Muster, damit wir nicht anecken. Ich möchte hier gar nicht von Kindern reden, die zum Therapeuten geschleift werden, weil sie faul, aggressiv, phlegmatisch oder was auch immer „sind“ - für mich sind das in der Regel Anzeichen dafür, dass ein Kind um Hilfe ruft, weil es nicht so gesehen wird, wie es wirklich ist. Sondern sich anpassen muss aber nicht kann.


Eure Kinder
Khalil Gibran (* 06.01.1883, † 10.04.1931)

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.

Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,
aber nicht eure Gedanken,
denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben,
aber nicht ihren Seelen,
denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen,
das ihr nicht besuchen könnt,
nicht einmal in euren Träumen.

Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts
noch verweilt es im Gestern.

Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit
und er spannt euch mit seiner Macht,
damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Lasst eure Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein,
denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.


Aus Kindern, die nicht gesehen werden, werden Erwachsene, die nicht sehen.

Wir übernehmen diese Muster. Beginnen, andere Menschen zu beurteilen, in Schubladen zu stecken, ihnen Stempel aufzudrücken. Die interessante Frage ist doch aber: Wie möchtest Du geliebt werden? So, wie Du bist? Möchtest Du als das gesehen werden, was wirklich deiner Wahrheit entspricht?
Und wenn Du das bejahen kannst – selbst wenn Du noch nicht zu Deiner ureigenen Wahrheit vorgedrungen bist - ist es Dir möglich, Dein Gegenüber ebenso bedingungslos anzusehen, wie Du gern gesehen werden möchtest?
Ich lade Dich ein, das heute mal auszuprobieren: bleib bei Dir und krieg mit, wann Du jemanden anderes beurteilst. Ihn verändern möchtest. Ihn bewertest. Krieg mit, wann Du NICHT bedingungslos bist. Auch, wenn Du diese fein versteckten Erpressungen nutzt – zum Beispiel, wenn Du lobst, weil Du eigentlich was möchtest. Oder Liebe entziehst, um zu strafen. Krieg es mit – und dann lass es heute mal sein.

Foto: Paul Barlow-Pixabay

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